Die Volkskrankheit alternder Männer ist der Prostatakrebs. Viele Urologen raten zu schnell zu Operationen und viele Männer kommen zu früh unters Messer. Dieser Umstand ist spätestens seit dem Erscheinen des Barmer-GEK-Krankenhausreports, der im Juli 2012 veröffentlicht wurde, bekannt.
Danach macht der Griff zum Skalpell die Männer mit Prostatakrebs häufig nicht gesünder. Viele von ihnen leider vielmehr unter Komplikationen, Nebenwirkungen und Spätfolgen des Eingriffs. So klagten ein Jahr nach der kompletten Entfernung der Prostata (Prostatektomie) bis zu 80 % der Patienten über Impotenz und 16 bis 20 Prozent über Harninkontinenz.
Prostatakrebs gehört, nach Hautkrebs, zu den häufigsten Krebserkrankungen des Mannes. 2011 gab es in Deutschland rund 83.000 stationär behandelte Fälle. Diese Krebsform werde zu oft chirurgisch behandelt, sagte Barmer-GEK-Vize Rolf-Ulrich Schlenker. Er verwies auf die USA, wo es trotz der viel höheren Bevölkerungszahl auch nur etwa 83.000 Prostata-Operationen pro Jahr gebe. „Kontrolliertes Zuwarten“ hält Schlenker bei Prostatakarzinomen oftmals für die bessere Alternative.
Bei rund der Hälfte der chirurgischen Eingriffe wird die Prostata komplett entfernt. Eva Maria Bitzer, federführende Autorin der Studie und Professorin in Hannover, riet dazu, Prostatakarzinome solange nicht zu entfernen, solange sie „klein und medizinisch unauffällig sind“. Auch sei eine Prostatektomie nur dann angezeigt, wenn die Lebenserwartung des Patienten noch mindestens 10 Jahre betrage. „Man stirbt mit, aber nicht an einem Prostatakarzinom“, sagte sie. Denn Prostatakarzinome wachsen in der Regel sehr langsam. Tatsächlich sind laut Studie nach solchen Eingriffen keine Todesfälle in Kliniken bekannt. Insgesamt starben 2011 laut Studie dennoch 13.000 Männer an Prostatakrebs.
Der Bericht zeigt, dass ein Jahr nach dem Eingriff nur gut die Hälfte der Patienten (51,9 %) mit der Behandlung zufrieden ist. Die anderen klagen über eine eingeschränkte Lebensqualität. Und dies, obwohl immer häufiger gefäß- und nervenschonende Operationstechniken genutzt werden. Unmittelbar nach einer Prostatektomie berichtete ein Fünftel der Patienten über Komplikationen wie starke Blutungen.
Wenn der Prostatakrebs früh entdeckt und regelmäßig beobachtet wird, sind seine Behandlungsmöglichkeiten sehr viel wirkungsvoller als bei anderen Krebsarten. Auch befällt er weniger schnell andere lebenswichtige Organe.
Prostatakrebs ist nicht gleich Prostatakrebs. Es gibt Prostatakrebs, der sehr langsam verläuft. Er benötigt eine entsprechend sanfte Therapie. Und es gibt Prostatakrebs, der schnell und aggressiv verläuft. Ihn muss man auch ebenso aggressiv angehen. Daher müssen wir lernen, zwischen den beiden Verlaufsformen frühzeitig und sicher zu unterscheiden und nicht immer gleich zum Messer greifen.
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