Rund 35 Millionen Menschen leiden unter Alzheimer. Damit ist sie die häufigste neurodegenerative Erkrankung weltweit. Allein in Deutschland sind hiervon circa 1,2 Millionen Menschen betroffen. Aufgrund des demographischen Wandels werden sich die Zahlen bis 2050 vermutlich noch verdreifachen.
Bis heute ist die Krankheit nicht heilbar und verläuft stets tödlich. Krankheitssymptome sind ein fortschreitender Abbau geistiger Fähigkeiten, eine gesteigerte Ängstlichkeit bis hin zum kompletten Verlust der Persönlichkeit.
Eine wegweisende Entdeckung für an Alzheimer Erkrankten ist vermutlich Forschern des Instituts für Neuropathologie der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen (UDE) in Kooperation mit der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum (UK Essen) und der Klinik für Psychiatrie der Ludwig-Maximilians-Universität München gelungen.
So entdeckten die Wissenschaftler die zentrale Rolle, die das Enzym Kallikrein 8 (KLK8) für den Krankheitsverlauf spielt. Es handelt sich dabei um ein körpereigenes Enzym welches an der Gedächtnisbildung und Angstentstehung beteiligt ist, erläutert Prof. Dr. Kathy Keyvani, Direktorin des Instituts für Neuropathologie, das Ergebnis einer aktuellen Forschung.
Schon in einem frühen Krankheitsstadium konnten die Wissenschaftler im Gehirn der Betroffenen einen KLK8-Überschuss feststellen. Zudem veränderten sich die KLK8-Werte im Blutplasma und Nervenwasser (Liquor) auffällig.
Die Forscher schlussfolgerten: Wenn man die Aktivität dieses Enzyms ausbremst könnte sich dies auf den Krankheitsverlauf positiv auswirken. Und die Versuchsergebnisse gaben dieser These recht: Wurde die KLK8-Enzymaktivität vier Wochen lang im Tiermodell durch Antikörper gehemmt, schwächten sich die pathologischen Veränderungen in einem frühen Krankheitsstadium ab oder verschwanden sogar ganz – und das ohne erkennbare Nebenwirkungen.
Dabei wirkt die Enzymblockade auf mehreren Wegen: Einerseits senkt sie die Alzheimer-typische Ablagerung schädlicher Proteinaggregate (Plaques) im Gehirn, weil weniger davon in der Plaque-Vorstufe produziert wird und schon vorhandene Plaques ausgeschwemmt und entfernt werden. Andererseits kann die krankheitstypische Tau-Pathologie unterbunden werden, bei der das geschädigte Transportprotein Tau zum Absterben erkrankter Nervenzellen beiträgt. Stattdessen werden die Nervenzellen komplexer und robuster, das Gehirn schüttet weniger angstauslösende Signale aus.
Im Mausmodell sind die typischen Symptome für Alzheimer, wie Gedächtnisdefizite oder gesteigerte Ängstlichkeit merklich zurückgegangen. Auch wenn die Studienergebnisse sehr vielversprechend sind, ist es jedoch noch ein langer Weg bis zur Einführung eines möglichen Therapeutikums. Ob KLK8 zudem Aussichten hat, sich als früher Biomarker in der Alzheimer-Diagnostik zu etablieren, muss noch weiter untersucht werden.
Für die Erfindung hat die Universität Duisburg-Essen ein internationales Patent angemeldet.