Heute startet in Deutschland der neue Pflege-TÜV. Durch ihn sollen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen aussagekräftige Informationen über die Qualität der Heime erfahren. Für viele von ihnen ist die Wahl eines geeigneten Seniorenheims eine echte Herzensangelegenheit. Nun sollen sie mit Hilfe des neuen Pflege-TÜV leichter das passende Alten- und Pflegeheim finden. Daher werden künftig alle Heime nach einem neuen Bewertungssystem begutachtet.
Bislang erhielten deutsche Seniorenheime fast nur Traumnoten
Ein Zustand, der wenig oder gar nichts mit der Realität zu tun hatte. So wurden mit der alten MDK-Qualitätsprüfung die Alten- und Pflegeheime im Schnitt mit der Schulnote 1,2 bewertet. Hierzu wurden seit 2011 sowohl die stationären Pflegeeinrichtungen als auch die ambulanten Pflegedienste im Auftrag der Landesverbände der Pflegekassen gewöhnlich einmal im Jahr geprüft.
Zum Erreichen einer 1,0 war lediglich die Erfüllung von Mindeststandards notwendig. Dies entsprach aber nicht die aus dem Schulnotensystem entlehnte Notenskala. Infolgedessen litt das Vertrauen von Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen in die Aussagekraft dieser alten Pflegenoten. Als Entscheidungshilfe zur Orientierung und zum Vergleich von Seniorenheimen waren sie damit unbrauchbar.
2016 reagierte der Gesetzgeber
Weil Qualitätsmängel für die Verbraucher nicht klar erkennbar waren und das System als zu bürokratisch, zu aufwendig und als intransparent galt hat der Gesetzgeber 2016 einen Pflegequalitätsausschuss eingerichtet und diesen beauftragt neue Prüfverfahren zu entwickeln. An dieser Reformierung waren das Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld und das Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen in Göttingen maßgeblich beteiligt.
Während sich die alten Pflegenoten bei der Bewertung primär auf die Dokumentation von Einrichtungen – also das Festhalten der Pflegearbeit in Unterlagen – stütze, sollen mit dem neuen Pflege-TÜV die Ergebnisse der tatsächlich durchgeführten Pflege in Mittelpunkt des Interesses gerückt werden.
Zweiteiliges Prüfsystem
Zukünftig wird jedes Pflegeheim in Deutschland nach einem mehrstufigen System bewertet. Internes Qualitätsmanagement und externe Qualitätsprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) greifen hierbei ineinander. Die Resultate dieser intern und extern erhobenen Daten werden anschließend zusammen mit weiteren Informationen zur Pflegeeinrichtung etwa zur Ausstattung der Zimmer, zur Gestaltung des Alltags und zur Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln von den Pflegekassen im Internet veröffentlicht.
Interne Qualitätsprüfung
Alle Pflegeheime beurteilen halbjährlich die Versorgung ihrer Bewohner nach zehn Qualitätsindikatoren selbst und übermitteln die Ergebnisse elektronisch an eine Datenauswertungsstelle (DAS). Erfasst werden unter anderem wie mobil und selbstständig die Bewohner bei alltäglichen Verrichtungen sowie bei der Gestaltung ihres Lebensalltags sind, wie viele Bewohner an Druckgeschwüren oder an den Folgen von schweren Stürzen leiden, ob ein unbeabsichtigter Gewichtsverlust eingetreten ist und wie es mit der aktuellen Schmerzeinschätzung aussieht. Daneben wird aber auch ein Fokus auf die vielfach kritisierten freiheitszentziehenden Maßnahmen, wie beispielsweise die Fixierung mit Gurten, gelegt.
Beurteilt werden die Bewohner durch die Pflegekraft, die hauptsächlich für sie zuständig ist. Bei den Indikatoren Mobilität, Dekubitus, schwerwiegende Sturzfolgen und Gewichtsverlust werden für zwei voneinander getrennte Gruppen erhoben: Zum einen für Personen die keine oder nur geringe kognitive Einbußen aufweisen und zum anderen für Personen mit erheblichen Einschränkungen.
Außerdem werden Personen bei der Beurteilung von bestimmten Punkten ausgeschlossen. Hierunter fallen Bewohner mit einem Dekubitus, der bei einem Krankenhausaufenthalt entstanden ist, oder Bewohner mit einem Schlaganfall, der in den vergangenen sechs Monaten stattgefunden hat. Dies geschieht, um nur die Ergebnisqualität der Einrichtung abzubilden. Behandlungsfehler anderer Einrichtungen oder medizinische Ereignisse sollen nicht zu Lasten des jeweiligen Pflegeheims gehen.
Weiterhin werden auch Bewohner die nur zur Kurzzeitpflege aufgenommen wurden oder deren Einzug ins Seniorenheim in den letzten 14 Tagen stattgefunden hat von der Berücksichtigung ausgeschlossen.
Die übermittelten Daten werden nach Angaben auf Plausibilität vom DAS überprüft und mit Werten anderer bundesweiter Einrichtungen verglichen. Hierbei werden Punkte von eins bis fünf vergeben. Dabei bedeutet:
1 – Einrichtung liegt weit unter dem Durchschnitt
2 – Einrichtung liegt leicht unter dem Durchschnitt
3 – Einrichtung liegt nahe am Durchschnitt
4 – Einrichtung liegt leicht über dem Durchschnitt
5 – Einrichtung liegt weit über dem Durchschnitt
Damit die Punktwerte eindeutig zugeordnet werden können, wird ein Referenzwert festgelegt. Er entspricht der Punktzahl drei und ergibt sich aus dem Bundesdurchschnitt sämtlicher Einrichtungen.
Abschließend erhält jedes Altenheim von der Datenauswertungsstelle einen Bericht darüber, ob es besser oder schlechter als der Bundesdurchschnitt abschneidet. Diese Ergebnisse fließen sodann auch in die Qualitätsprüfungen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen ein.
Externe Qualitätsprüfung
Um die Richtigkeit und Gültigkeit der erhobenen Dokumentationen festzustellen, wird in der Folge zusätzlich eine externe Prüfung vorgenommen. Neben einer statistischen Prüfung, in der kontrolliert wird, ob die Ergebnisse plausibel sind, erfolgt eine persönliche Kontrolle durch einen Prüfdienst. Qualitätsprüfer des MDK besuchen hierzu einmal jährlich jede Einrichtung und ermitteln anhand einer zufällig ausgewählten Stichprobe von neun Personen die Qualität der Versorgung.
Neben der individuellen Versorgung der Bewohner, auf die der Hauptfokus der Untersuchung liegt, wird die Struktur und Organisation der Einrichtung geprüft. Die Qualitätsprüfung streckt sich auf sechs Qualitätsbereiche und umfasst insgesamt 24 Qualitätsaspekte.
In persönlichen Gesprächen mit den Bewohnern wird untersucht, wie es mit der Mobilität und Selbstversorgung der Bewohner aussieht, wie weit die Bewohner bei der Bewältigung von krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen unterstützt werden, wie es mit der Gestaltung des Alltagslebens und der sozialen Kontakte bestellt ist und wie die Bewohner in besonderen Bedarfs- und Versorgungssituationen Unterstützung erfahren. Weiterhin wird durch die Mitarbeiter des MDK überprüft, wie es mit den allgemeinen beruflichen Kompetenzen der Pflegekräfte bestellt ist und welche Maßnahmen vom Hause ergriffen werden, um die Qualität zu erhalten beziehungsweise um Mängel vorzubeugen.
Qualitätsbewertung durch den MDK
Jeder der 24 Qualitätsaspekte wird hierzu einzeln bewertet und in eine von vier Kategorien eingestuft, die da wären:
Kategorie A - Keine Auffälligkeiten oder Defizite
Kategorie B - Auffälligen die keine Risiken oder negative Folgen erwarten lassen
Kategorie C - Defizit mit Risiko negativer Folgen
Kategorie D - Defizit mit eingetretenen negativen Folgen
Anschließend werden die Einzelbewertungen zu einer Gesamteinschätzung für den Bereich zusammengeführt und es erfolgt eine Bewertung hinsichtlich:
- Keine bzw. geringe Qualitätsdefizite
- Moderate Qualitätsdefizite
- Erhebliche Qualitätsdefizite
- Schwerwiegende Qualitätsdefizite
Was passiert bei der Feststellung von Qualitätsdefiziten?
Nach erfolgter Prüfung erstellt der MDK einen Bericht für die Pflegeeinrichtung und die Pflegekasse. Bei Mängeln werden konkrete Maßnahmen empfohlen, um Defizite zu beseitigen. Mittel der Pflegekasse besteht in der Erteilung von Auflagen. Neben der Veranlassung einer Wiederholungsprüfung durch den MDK reichen diese über eine Vergütungsminderung bis hin zur Kündigung eines Versorgungsvertrages.
Wann werden die ersten Ergebnisse erwartet?
Die ersten Ergebnisse werden für das Frühjahr 2020 erwartet und jedes Heim soll spätestens bis Ende 2020 nach den neuen Bewertungskriterien geprüft worden sein.